Interview mit einem “Mistelbeleser”
Adventszeit ist Erntezeit bei Helixor: Apfelmisteln, Kiefernmisteln und Tannenmisteln gelangen in die erfahrenen Hände von Fabian Jakobi. Als Ernteleiter ist er zuständig für die Organisation und Durchführung aller Erntetermine – und für das anschließende Mistelbelesen. Noch nie was von Mistelbelesen gehört? Macht nichts, Fabian bringt uns diesen Arbeitsschritt ein wenig näher:
Fabian, warum hat die Winterernte einen besonderen Stellenwert?
Jede Mistelsorte von Tanne, Apfelbaum und Kiefer ernten wir viermal pro Jahr, damit der sortenreine Gesamtextrakt alle jahreszeitlichen Qualitäten „seiner“ Mistel enthält. Jede Ernte ist also wichtig – aber die Winterernte hat einen besonderen Stellenwert.
Sie ist nicht nur mengenmäßig am größten, sondern es ist auch die Zeit der Beerenreife, weshalb nur jetzt die klebrigen weißen Mistelbeeren abgepflückt (gelesen) werden, um sie später in einem bestimmten Verhältnis dem Gesamtextrakt beizumischen. Die Inhaltsstoffe der Beeren gehen wichtige Wechselwirkungen mit den Mistellektinen ein und haben wegen ihres großen Anteils an Arabinogalaktanen auch besondere immunmodulierende Eigenschaften.
Also beschert die Winterernte die größte Arbeit?
Ja, unser festes Ernteteam ist auf Verstärkung angewiesen – nicht gerade beim Schneiden der Misteln aus den Baumwipfeln, das überlassen wir unseren schwindelfreien Profis, aber schon beim Einsammeln der Misteln helfen 1 – 2 Mitarbeitende, die diesen „allerersten“ Schritt der Mistel auf ihrem Weg zum Arzneimittel kennenlernen und damit einen stärkeren Bezug zur Pflanze bekommen wollen.
Die meiste Unterstützung von Mitarbeitenden erhalten wir aber beim eigentlichen Mistelbelesen. Für jede Sorte gibt es einen Belesetermin. Dann wächst unser Team auf rund 16 Menschen aus allen Abteilungen, die sich für mindestens einen der drei Termine als freiwillige Helfer melden.
“Beim Mistelbelesen entsteht eine ganz eigene Atmosphäre”
Fabian Jakobi, Produktion und Ernteleitung
Wie darf man sich das Mistelbelesen vorstellen?
Die erntefrischen Misteln kommen auf der Fischermühle direkt in den Beleseraum, wo das Mistelbelesen beginnt. Dabei werden pro Mistelverzweigung die ersten (bzw. jüngsten) 2,5 Sprosslängen abgebrochen und die Beeren in einen separaten Behälter gegeben.
Es ist faszinierend, dass die Mistel Sommerwärme speichern kann, um damit in der Winterkälte ihre Beeren reifen zu lassen. Reife Beeren sind weiß und weich, damit sie das wenige Winterlicht besser absorbieren und so ihren Embryo in der Beere zum Leben erwecken. Diese Licht- und Wärmekräfte sollen auch bei Krebsbetroffenen zum Einsatz kommen.
Die Weiterverarbeitung der “belesenen” Misteln schließt sich nahtlos an und erfolgt natürlich ausschließlich durch unsere pharmazeutische Produktionsabteilung.
Mistelbelesen erfordert also keine bestimmten Fähigkeiten – oder etwa doch?
Naja. Immerhin geht es darum, aus einer Pflanze ein Heilmittel entstehen zu lassen – deshalb hat die Arbeit schon eine besondere Wertigkeit und auch Würde, wenn ich das so sagen darf. Viele im Team kommen der Pflanze das ganze Jahr über nie so nah wie bei dieser Handlung. Tatsächlich stellt sich – ohne dass es irgendjemand vorgibt – eine respektvolle Haltung bei den Mitarbeitenden ein, auch wenn sie zum ersten Mal dabei sind. Das ergibt sich ganz von allein.
Das klingt nach einer besonderen Atmosphäre beim Mistelbelesen – wie ist die Stimmung im Beleseraum?
Die Atmosphäre ist entspannt. Die Zusammensetzung der Teams unterscheidet sich ja bei jedem Termin und in jedem Jahr – man trifft Kolleg:innen, die man sonst vielleicht sehr selten sieht und hat endlich mal Zeit miteinander zu sprechen. Die Stimmung ist entsprechend fröhlich, aber auf eine ruhige, entschleunigte Art. Oft wird die Arbeit untermalt durch das Vorlesen einer Geschichte – das übernimmt zum Beispiel unsere Herstellungsleiterin, und man erinnert sich unwillkürlich, wie gut einem das schon früher getan hat. Das Mistelbelesen ist für mich ein Adventsritual, das mir eine schöne Weihnachtsstimmung vermittelt – und ich glaube, da spreche ich für ganz viele meiner Kolleg:innen.
Danke, Fabian, für diese neuen Einblicke.
Übrigens: Mehr zur Herstellung finden Sie hier. Und wer wissen will, welche Geschichte die Herstellungsleiterin gelesen hat: Es war “Marias kleiner Esel” von Gunhild Sehlin.